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Rose Ravenstein
 

Das Geheimnis der vergessenen Worte

Kapitel 41

 

Am frühen Nachmittag des folgenden Tages bog Annas Wagen in den Hinterhof der ehemaligen Tankstelle in Köln ein, in der nun die Taxizentrale untergebracht war.

„Wir fahren mit meinem Wagen“, hatte Anna mittags vor der Abfahrt einfach bestimmt. „Kann sein, dass das heute für Viola ein aufregender Tag wird. Und ich möchte nicht an einer Leitplanke enden.“

„Wir hätten ja auch meinen Wagen nehmen können“, hatte Troll mehr im Scherz hinzugesetzt.

„Dann hätten wir aber vorgestern schon abfahren müssen, nicht, Veilchen?“ hatte Anna gerufen. „Und auf der Autobahn hätten wir dann Schildkröten auf der Überholspur erleben können.“

Der Taxifahrer rauschte pünktlich auf den Hof. Und kaum, dass das Motorgeräusch erstarb, stand der Mann schon vor ihnen. „Hallo Heike!“ grüßte er in Violas Richtung, Troll und Anna sah er fragend an. „Die Zentrale hat mich informiert. Sind Sie von der Polizei?“ Und als er Kopfschütteln erntete, fuhr er fort: „Was kann ich für Euch tun?“

Troll holte das Foto vom Heck des Ausflugschiffes mit der Frau und ihrem bärtigen Begleiter, das er als Standbild vom Bildschirm abfotografiert hatte, aus der Innentasche seines Jacketts und hielt es dem Fahrer hin. „Wir suchen dringend jemanden. Kennen Sie die Frau hier auf dem Bild?“

Der Taxifahrer warf nur einen kurzen Blick auf das Bild, dann zogen sich seine Brauen zusammen. „Sagen Sie mal, wollen Sie mich verschaukeln?“ stieß er schnaufend hervor. „Dafür ist mir die Zeit zu schade.“ Er deutete auf Viola. „Da steht sie doch, die Sie suchen. Heike.“

„Ich bin nicht Heike.“ Viola war blass geworden. Ich heiße Viola Meiners.“

„Nicht Heike?“ Der Taxifahrer schüttelte den Kopf und brachte sein Gesicht näher an Viola heran. „Ich hätte schwören können, dass du unsere Heike bist. Allerdings hast du heute eine andere Frisur.“

„Unsere?“ Troll hakte sofort nach. „Kennen Sie diese Heike denn gut?“

Der Taxifahrer lachte dröhnend auf. „Das möchte ich wohl meinen! Sie war doch jahrelang das Tanzmariechen bei uns im Karnevalsverein in der Südstadt! Bis sie dann ein bisschen zu schwer für die Hebefiguren wurde. Und seit letztem Jahr ist sie ja nun verheiratet. Mit Tommi, dem Mann auf Ihrem Foto hier.“

„Könnten Sie uns denn bitte die Adresse geben?“ schaltete sich nun Viola ein. „Es geht um die Aufklärung eines Missverständnisses. Eines großen.“

„Der Fahrer sah von einem zum anderen. „Das scheint mir auch der Fall zu sein. Hat es mit der Ähnlichkeit zu tun?“

„Ja. Und mit sehr negativen Folgen daraus.“

„O je! Und Sie sind wirklich nicht von der Polizei? Sie müssen wissen, für meinen Job brauche ich einen guten Ruf, sonst bin ich ihn schnell an einen anderen los.“

Viola reichte ihm die Hand und drückte die seine fest. „Die reine Wahrheit, ich schwöre.“

Der Taxifahrer seufzte theatralisch und verdrehte die Augen. „Können diese Augen lügen?“ fragte er und schüttelte gleichzeitig den Kopf. „Also fahren Sie in die Südstadt in die Jakobstraße. Mittendrin finden Sie ein schönes mehrstöckiges Haus mit großen Fenstern. Und neben dem Eingang hängt ein Schild: Thomas Laval, Chiropraktiker. Wir bei uns nennen ihn nur den Knochenbrecher.“ Er lachte wieder, wandte sich zum Gehen. „War´s das?“ Als Viola nickte, tippte er an seinen Mützenrand. Ein letzter Blick galt Viola. Er schien über die Ähnlichkeit mit seiner Heike mächtig erschrocken zu sein. „Dass es einen Menschen zweimal geben soll, -unglaublich. Sind Sie etwa ein eineiige Zwillinge?“ Und als Viola den Kopf schüttelte, setzte er hinzu: “Das ist ja zum Fürchten.“

Troll steckte dem Mann einen Geldschein  in die Jackentasche. „Für die Leerfahrt. Und bitte, halten Sie alles für sich, was Sie hier gesehen und gehört haben. Bloß keinen Presserummel.“

Viola griff nach Annas Arm, hielt sich daran fest. „Anna, der Mann hat recht“, flüsterte sie erschrocken. „Mir ist auch zum Fürchten. Mir fällt gerade mein Albtraum wieder ein. Ich-ich glaube, jetzt wird er Wirklichkeit.“

Troll hatte mitgehört. Er hakte die schreckensbleiche Viola einfach unter, dirigierte sie über den Hof zum Wagen. „Und ich hoffte schon, du hättest diesen Traum in der Zwischenzeit vergessen.“ Viola schüttelte den Kopf. „Den werde ich nie vergessen können. Wenn ich nur wüsste, was mir meine Doppelgängerin im Traum sagen wollte! Vielleicht habe es auch nur einfach vergessen…“ Viola zog die Schultern zusammen, als wenn ihr kalt wäre.

„Veilchen, ich glaube eher, dass das ein Geheimnis bleiben wird. Zu viele Einzelteile fehlen in deiner Erinnerung, als dass es mal klar würde.“ Anna versuchte, ihrer Stimme einen leichten, furchtlosen Klang zu geben. „Das Geheimnis der vergessenen Worte. Hoffentlich klärt es sich nun auf.“

„Wenn es sich nur aufklärt…“ Viola sprach sehr leise und ließ sich untergehakt zum Auto führen.

Troll und Anna warfen sich hinter Violas Rücken einen fragenden Blick zu. Und auch die sonst immer optimistische, lustige Anna machte nur ein tief besorgtes Gesicht.

„Mir ist eiskalt“, sagte Viola und stieg zögernd in den Wagen.

 

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